Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 119. Kapitel: Jesus ruft die drei Erzengel Michael, Gabriel und Raphael zu sich.

01] Am frühen Morgen, der ganz rein war, erhoben wir uns von den guten Ruhestühlen und begaben uns ins Freie, und zwar an das sehr nahe Meeresufer. Kisjona, Philopold und auch die vier Indojuden waren bei uns. Maria aber blieb noch ruhend im Hause und kam erst nahe dem vollen Aufgange der Sonne zu uns heraus, begleitet von joel.

02] Bei dieser Gelegenheit sagte Ich: »Indem Ich diesmal (meint wohl: während des Erdenlebens) also leiblich, wie jetzt, diese Stelle nicht mehr betreten werde, so sollt ihr mit euren Augen in Erfüllung gehen sehen, wie es von Mir geschrieben steht: "Und ihr werdet Engel zwischen Himmel und Erde auf- und absteigen sehen, und diese werden Ihm dienen!"«

03] Es hatten solches Meine Jünger wohl schon zu öfteren Malen gesehen. Hier aber ließ Ich das geschehen zumeist der vier Indojuden wegen.

04] Zuerst berief Ich im Geiste den Michael, der wie ein hellster Blitz vom sichtbaren Himmel zur Erde herabfuhr, daß darob alle gar mächtig erschraken. Michael aber stand in aller Majestät vor Mir, leuchtend mehr denn die Sonne, und es konnte außer Mir niemand seinen Lichtglanz ertragen.

05] Ich aber sagte zu ihm: »Johannes, umschatte dich, auf daß dich Meine Freunde anschauen, erkennen und sprechen mögen!«

06] Da umschattete er sich und stand voll Liebe und Ehrfurcht vor Mir und sagte: »Seht Brüder! Dies ist das Lamm, das die Sünden der Welt von euch hinwegnimmt und euch den Weg bahnt zum ewigen Leben! Glaubt an Ihn und liebt Ihn über alles; denn Er ist der urewige Anfang, und das urewige Ende, das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, außer Ihm gibt es keinen Gott!«

07] Als der Engel diese Worte mit gar lieblicher Stimme ausgesprochen hatte, da verneigte er sich tief vor Mir und pries hoch Meinen Namen.

08] Da fielen auch alle andern vor Mir nieder und lobten und priesen Mich gleich dem Engel.

09] Ich hieß sie alle aufstehen und sagte zu ihnen: »Bleibt in eurer Natürlichkeit; denn Ich bin nun ein Mensch wie ihr und bin durch euren Glauben an Mich und durch eure Liebe zu Mir in euch, wie ihr in Mir! Daher bleibt in eurer Natürlichkeit!«

10] Da erhoben sich alle wieder, und Johannes ging zu seinen ehemaligen Jüngern und besprach sich mit ihnen über Dinge, die nach Mir über die Juden und über die Menschen der Erde kommen werden ihres Unglaubens wegen, und er blieb in sichtbarer Menschengestalt als der allen wohlerkennbare Johannes den ganzen Tag unter uns.

11] Nach ihm berief Ich den Erzengel Gabriel. Dieser kam gleich wie Michael-Johannes, umschattete sich aber sogleich, gab Mir die Ehre und trat dann zu Maria und besprach sich über seine Sendung mit ihr, und sie ward dabei voll der demutsvollsten Wonne und Seligkeit. Nach dem trat Gabriel, der in der Gestalt und Person des Urvaters Jared erschienen war, auch unter Meine Jünger und besprach sich über die adamitische Urzeit und über die damaligen Offenbarungen an die Kinder der Höhe und auch an die Kinder der Welt; und er blieb auch bis zum Abend sichtbar unter uns.

12] Auf ihn berief Ich den Raphael. Und dieser erschien auch gleich also wie die zwei ersten, umschattete sich, gab Mir die Ehre und trat darauf zu den vier Indojuden in der Gestalt und Person Henochs und besprach sich mit ihnen gar freundlich über Mich, und wie er es war, der sie aus der babylonischen Gefangenschaft auf Mein Geheiß befreite und sie in das Land brachte, das zuvor außer Adam und Eva von keinem Menschen bewohnt worden war.

13] Und das Töchterchen war ganz erstaunt über des Raphaels Gestalt und sagte: »O du lieblichster Bote aus den lichtvollen Höhen Gottes! Dich habe ich in meinen hellen Träumen schon gar oft gesehen und auch gesprochen; aber so ich davon zu meinen Eltern reden wollte, da wollten sie es mir nicht gelten lassen und hießen mich eine Traumschwärmerin. Aber jetzt sehen sie dich selbst mit ihren Augen und werden nun wohl glauben, daß ich in den Träumen die volle und lichte Wahrheit geschaut habe!«

14] Und die Eltern lobten Mich, daß Ich ihnen eine so fromme Tochter gegeben habe.

15] Diese Szene der Ankunft der drei Engel dauerte bei einer Stunde lang.

16] Und es fragte Mich Kisjona, beinahe ganz verwirrt vor Freude, sagend: »O Herr und Meister, wie viele solcher Geister mögen wohl in Deinen Himmeln wohnen?«

17] Und Ich sagte zu ihm: »O du Mein lieber Freund, die Zahl solcher Geister in Meinem Reiche ist endlos; denn was wäre eine endliche Zahl für einen ewigen und in Seinem Geiste der Liebe und Weisheit unendlichen Gott?! Sieh dir an die für dich zahllos vielen Sterne in einer hellen Nacht - du weißt es schon, was sie sind -; auch auf ihnen werden Menschen gezeugt und geboren! Aus ihnen aber werden auch Geister erweckt zum ewigen Leben und Wirken. Wenn du dich als selbst ein vollendeter Geist in Meinem Reiche befinden wirst, dann wirst du alles selbst sehen, und deiner Seligkeit darob wird nimmerdar ein Ende sein!

18] Ich sage es dir: Kein Auge hat es je gesehen, kein Ohr gehört und kein Sinn empfunden, was die im Himmel erwartet, die Gott über alles lieben und Seine Gebote halten!

19] Es ist wohl wahr, daß des Menschen Leben von der Geburt an bis zum Abfalle des Leibes von gar vielen Drangsalen und Leiden aller Art behaftet ist; aber so er nach der erkannten Ordnung Gottes lebt und dadurch in sich schon auf dieser Erde das lebenshelle Bewußtsein überkommt, was ihn im andern, wahren Leben erwartet, so wird er alle die oft noch so bitteren Prüfungen, die alle nur zur Erweckung des Geistes Gottes ja seiner Seele ihm zugelassen werden, mit aller Geduld und Standhaftigkeit ertragen und dabei vollauf frohen Mutes sein.

20] Nimm dir an Mir Selbst ein Beispiel! Ich weiß, welche Leiden Mich auf dieser Erde in kurzer Zeit erwarten; aber Meine übergroße Liebe zu euch Menschen, ja zu euch Meinen Kindern, versüßt sie Mir. So lasst euch denn, ihr Kinder, so manches Leid und so manchen Schmerz, den ihr in diesem Leben zu erdulden bekommet, auch durch die Liebe zu Dem, der in Mir wohnt, versüßen, und ihr werdet dadurch auch, Mir gleich, guten und frohen Mutes und heitern Sinnes sein können!

21] Siehe, diese drei Engelsgeister, die heute bis zum Untergange unter uns verweilen werden, haben auf dieser Erde viel zu erdulden gehabt; nun aber sind sie darum überselig und werden ewig nichts mehr zu erleiden überkommen. Ihre größte Seligkeit aber besteht dennoch darin, so sie in Meinem Namen den Menschen auf dieser Erde einen rechten Liebesdienst erweisen können, obschon sie daneben über zahllos viele Sonnen und Erden im endlosen Raume zu gebieten haben.

22] Erweist denn auch ihr schon jetzt auf dieser Erde den Menschen um Meines Namens willen Liebe, und ihr werdet darob auch schon viele Seligkeiten zum Genusse bekommen; denn es ist das Geben um gar vieles seliger als das Nehmen!«

23] Als Kisjona solches aus Meinem Munde vernommen hatte, da dankte er Mir für diese Lehre und versprach Mir auf das wärmste, daß er solche Meine Worte in aller Tat über alles beherzigen werde.

24] Da aber kam auch ein Diener vom Hause zu uns ans Ufer des Meeres und zeigte uns an, daß das Morgenmahl bereitet sei.



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