Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 102. Kapitel: Die geistigen Entsprechungen des Kranichzuges.

01] (Jesus:) »Seht, alles in der Naturwelt, was sich da in allen ihren drei Reichen befindet, und alle noch so unbedeutenden Erscheinungen sind Schrift und Sprache für die erleuchtete Seele des Menschen. Und so war und ist es auch der von uns beobachtete Kranichflug. Daß diese Vögel Mir hier eine gewisse Ehrerbietung bezeigten, das ist ganz sicher; aber es wäre unvernünftig anzunehmen, daß diese Tiere Mich irgend erkannt hätten. Die Sache verhält sich da ganz anders, und das euch vollends wunderbar Vorkommende kehrt ins ganz getreu Natürliche zurück.

02] Seht, ein jeder Mensch hat als ein geistig, seelisch und naturkörperlich lebendes Wesen ebenso eine Außenlebensatmosphäre um sich, wie sie ein jeder Weltkörper, jeder einzelne Stein wieder eigens für sich und so ein jeder Baum und jedes Gewächs nach seiner Art und also auch ein jedes Tier hat; denn ohne solch eine Außenlebensatmosphäre könnte weder eine Erde noch ein Stein, noch ein anderes Mineral, noch ein Gewächs und ein tierisch lebendes Wesen bestehen.

03] Daß sich die Sache aber also verhält, könnt ihr einer von euch schon sicher oft erprobten Erfahrung entnehmen, daß ihr zum Beispiel in einem Eichenwald sicher von einer ganz anderen Empfindung bemeistert werdet als in einem Zedernwalde. Ein ganz anderes Gefühl bemächtigt sich des Menschen, wenn er sich auf einem Kalkfelsen befindet, und ein anderes auf einem Granitfelsen; ein anderes Empfinden hat der aufmerksame Mensch in einem Weinberge und ein anderes in einem Garten mit Feigenbäumen; und dasselbe wandelbare Gefühl hat der Mensch bei der Annäherung verschiedener Tiere und noch mehr bei der Annäherung verschiedener Menschen. Ein sehr fühlender Mensch empfindet das schon oft auf eine beträchtliche Ferne und fühlt es, ob ihm ein guter oder ein böser Mensch begegnen wird.

04] Und seht, das empfinden auch die Tiere, und manche um vieles schärfer als irgendein materieller und wenig über Gutes und Wahres denkender Mensch.

05] Ist ein Mensch von einer vollendet guten Art, und ist er in seiner Seele von göttlichem Geiste erfüllt, so wird seine Außenlebensatmosphäre auch stets kräftiger und in weite Fernen hin zu reichen anfangen. Wenn solch einem Menschen sich dann auch selbst die reißendsten Tiere nähern, so werden sie von seiner Außenlebensatmosphäre durchdrungen und gesänftet, werden sich ihm voller Freundlichkeit nähern und ihm nichts zuleide tun, und er wird ihnen sogar mit seinem Willen gebieten können, und sie werden sich ihm gehorsam erweisen.

06] Beispiele von der Wahrheit des Gesagten findet ihr bei den Urvätern der Erde, bei den Patriarchen und bei den Propheten; und in dieser Zeit habt ihr das schon selbst an Meiner Seite gar vielfach erprobt.

07] Nun, Ich Selbst sicher am meisten und auch ihr mit Mir haben wohl sicher die am allerweitesten über uns selbst hinausreichende Außenlebensatmosphäre von höchster Kraft, Güte und Vollkommenheit!

08] Die von uns gesehenen Kraniche, die sich den Sommer hindurch in den nördlicheren Sümpfen und kleinen Seen Griechenlands aufhielten, sind nun im Herbst in die Zeit ihrer Wanderung gekommen, die ihnen ihr scharfer Instinkt anzeigt. Diese uns aus den nächsten Sümpfen daher zur Sicht gekommenen Kraniche haben unsere Außenlebensatmosphäre auch am allermeisten empfunden und sind ihrem Zuge nachgeflogen. Als sie vollends hierher gekommen sind, wurden sie auch von einem mächtigen Wohlgefühl derart bemeistert, daß sie denn haltmachten und sich in unsere völlige Nähe herabsenkten und hier, um uns kreisend, in einer großen Wonne schwelgten. Sie wurden wie ganz gesättigt und nahmen darum auch das Wasser, - erstens, um sich den Durst zu stillen, und zweitens, um für ihren Weiterflug einen Vorrat zu haben, da ihre Reise bis in die großen Ebenen Indiens bestimmt ist.

09] Seht, was ihr denn nach eurer Meinung an den Kranichen als Wundersames zu beobachten glaubtet, war im Grunde etwas ganz Natürliches, das aber freilich nun nur Der erkennen kann, der die gesamte Einrichtung aller Kreatur wohl kennt!

10] Es ist das alles zwar auch ein Wunder, aber kein Wunder einer solchen Art, die eigentlich von der blinden Menschheit als ein Wunder angesehen wird also, als wäre so ein Wunder eine Art göttlicher Magie, sondern ein Wunder für den im Geiste geweckten Menschen von ganz natürlicher Art.

11] Sollte nun etwa noch ein zweiter Kranichzug in einer Stunde nachkommen, so werdet ihr an ihm ganz die gleiche Erscheinung erleben, sie aber auch besser begreifen als die erste.

12] Aber was besagt denn solch ein Kranichflug durch die Schrift und Sprache der inneren geistigen Entsprechung? Wer kann das Bild lesen und es im Worte treu und wahr und verständlich aussprechen? - Seht, das ist eine ganz andere Frage, die sicher schwerer zu beantworten ist denn das, was ihr aus der Erscheinung als ein pures Wunder zu sein des Glaubens waret! (d.h. für ein reines Wunder hieltet.)

13] Diese Vögel bewohnen nur reine Sümpfe in der Nähe von Seen, die ein reines Wasser haben; in stinkenden und faulen Pfützen wird man sie schwerlich je antreffen. Ihre Nahrung sind gesunde und lebendige Fischlein und auch anderes reines Seegewürm.

14] Nun, das reine Wasser bezeichnet in der geistigen Entsprechung reine und durch nichts mehr getrübte Erkenntnisse der vollen Wahrheit aus den Himmeln.

15] Diese Tiere stellen demnach die Menschen dar, die stets bemüht sind, nach reinen Erkenntnissen zu trachten und ihre Seele mit den lebendigen reinen Fischlein (lebendiges Wort aus Gott) und reinem Gewürm (reine Erfahrungserkenntnisse aus dem Bereich der Natur) zu sättigen.

16] Infolge dessen, daß die hier in Rede stehenden Tiere sich also nur mit dem Reinen abgeben, sehen wir bei ihnen eine überwiegende Intelligenz und Ordnung in allem, was wir aus dem Bereich ihrer Tätigkeit kennen. Wo sie wohnen, stellen sie sehr sorgsame Wachen auf, die durch einen gewissen Ton die ganze Gemeinde zu benachrichtigen haben, so sich derselben irgendein Feind naht, den der aufgestellte Wächter aus dessen ihm weit vorangehenden Außenlebensatmosphäre durch sein scharfes Gefühl untrüglich wahrnimmt. Also merken diese Tiere auch genau die Zeit ihrer Wanderung; und wenn sie diese antreten, so geschieht es stets mit der größten Vorsicht und Ordnung, wie ihr euch davon schon oft zu überzeugen die Gelegenheit gehabt habt.

17] Seht, so wird auch der Mensch, und am Ende eine ganze große Gemeinde, alles aus seinen ganz reinen Erkenntnissen in eine gewisse bestmögliche Ordnung stellen, in allem Tun und Handeln die rechte Vorsicht und Weisheit anwenden und somit auch davon fürs ganze Leben und für ewig die besten und sichersten Erfolge ernten!

18] Der geradlinige Flug der Kraniche bedeutet den festen und ernsten Charakter, niemals von der einmal wohlerkannten Wahrheit abzuweichen; denn mit dieser sicher höchst geraden geistigen Richtungs- und Wanderlinie kommt der Mensch am ehesten zum fürs Leben ersprießlichsten Ziel.

19] Beim Weiterflug dieser Vögel habt ihr vorne die gewissen Führer der ganzen langen Linie bemerkt. Seht, das geht abermals aus der reinen Kost hervor!

20] Wenn nun die Seelen der Menschen einer Gemeinde mit der reinen Wahrheitskost genährt werden, so werden sie auch aus ihrer Mitte die Weisesten bald und leicht herausfinden und ihnen die Leitung und Führung übergeben und völlig anvertrauen; diese aber bleiben dann auch, solange sie auf dieser Erde leben, ihre Leiter und Führer, und ist einer von ihnen hinübergewandert, so wird er alsbald durch einen Würdigsten aus der Gemeinde ersetzt, und des Hinübergewanderten Geist wird auch vom Jenseits herüber als ein wahrer Schutzgeist über die zurückgelassene Gemeinde wachen und wird mit ihr in der seligsten Gemeinschaft und im Verkehr stehen und belehrend auf sie einwirken, wie das auch der Fall war bei den Urvätern, Patriarchen und vielen Propheten. Und so wird sich solch eine wohL geordnete Gemeinde sicher auch stets in einer wahren, himmlischen Glückseligkeit schon hier auf dieser Erde befinden.

21] Denn nur der Mensch, der in diesem Leben schon in einem Vollmaße das innere Lebenslicht besitzt, indem er sich, Gott und dessen liebevollsten und weisesten Absichten mit den Menschen klar erkennt und keinen Tod, sondern nur ein ewiges, allerseligstes Leben klar vor sich sieht, kann auch hier auf Erden schon in einer ganz himmlischen Weise selig sein, während ein anderer Mensch, der sich nicht in solch einer Lebensordnung befindet, von einem Zweifel in den andern verfällt, sich mit allerlei finsteren Gedanken ängstigt und, um diese zu verscheuchen und zu betäuben, sich am Ende allen sinnlichen Genüssen in die Arme wirft und so anstatt ein Kind des Himmels nur ein Kind der Hölle und ihres alten Gerichtes wird.

22] Die sieben Führer stellen auch die Vollzahl des Guten und Wahren der Himmel aus Gott dar, weil in solcher Vollzahl die euch schon bekanntgegebenen sieben Geister Gottes, als in der rechten Ordnung wirkend und handelnd, dargestellt sind. Daher genügen auch einer jeden Gemeinde sieben Vorsteher in der Ordnung der sieben Geister in Gott; aber da muß dennoch ein jeder die sieben Geister in sich als völlig tätig haben, aber dabei dennoch in der Führung der Gemeinde einen Hauptgeist vertreten.

23] Eine solche Gemeinde wird dann sein wie ein vollkommener Mensch vor Gott, wie solches in den Himmeln der Fall ist, der aus zahllos vielen Vereinen besteht und ein jeder Verein gewisserart einen vollkommenen Menschen darstellt. Die Unterschiede zwischen den Vereinen bestehen nur darin, daß in zahllos mannigfachen Verhältnissen des Mehr oder Weniger in einem oder dem andern Vereine der eine oder der andere Geist Gottes als reichlicher ausgebildet und vertreten erscheint.

24] Aus diesen nun angezeigten Verhältnissen, die zwischen mehr oder minder ins Unendliche gehen, entstehen auch die endlos vielen und mannigfaltigen Formen in der materiellen Schöpfung, gleichwie aus sieben einfachen Grundfarben eine endlose Mannigfaltigkeit von allen möglichen Farben und aus den sieben einfachen Tönen in der reinen Musik eine nie endende Mannigfaltigkeit von Melodien und entzückenden Harmonien geschaffen werden kann.

25] Seht, so wie Ich euch hier nur in einem ganz kurzen Abriß von der Natur und dem Fluge der Kraniche ein entsprechendes geistiges und himmlisches Bild gezeigt habe, also besteht auch Entsprechung von allem, was euch diese Erde zu sehen, zu hören, zu riechen, zu schmecken und zu fühlen bietet! Aber nicht der Leib, noch eure ängstliche Seele, sondern nur allein der lebendige und ewige Geist aus Gott im Herzen eurer Seele kann euch dazu den Eröffnungsschlüssel geben; darum bestrebet euch der Wiedergeburt eures Geistes in eurer Seele, und die ganze Schöpfung mit allen ihren zahllos vielen Erscheinungen wird für euch sein wie ein großes und aufgeschlagenes Buch, in dem ihr den Grund der göttlichen Liebe, Weisheit und Macht gar wohl werdet erschauen und klarst begreifen können! - Habt ihr dieses nun wohl verstanden?«

26] Sagten alle: »Ja, Herr, Du großer Gott und Meister von Ewigkeit, denn diesmal hast Du wieder einmal ganz klar und offen geredet! Wer in Deiner Schule nicht gut, erleuchtet und weise wird, der wird es sonst wohl sicher niemals und nirgends!«



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