Jakob Lorber: ''Das große Evangelium Johannes', Band 2, Kapitel 159


Jesus über Feindesliebe, Wohltaten, Geldverleihen und Strafen.

01] Sagt der Schiffsknechtmeister: »Herrlichstes Mädchen! Wer gab dir solch eine Weisheit? Wahrlich, du bist weiser denn Abraham, Isaak und Jakob!«

02] Sagt die Jarah: »Habe ich euch doch soeben gezeigt, wer Der ist, der nun unter uns ist; wenn aber unbestreitbar also, wie möget ihr noch fragen und sagen, woher mir solche Weisheit ward, oder wer sie mir gegeben hat? Da vor uns allen steht der große, heilige Geber aller guten Gaben! Er allein ist weise, und Er allein ist vollkommen gut! Wer Ihn liebt und glaubt in seinem Herzen, daß Er aus Sich heraus ist der Herr Jehova Zebaoth von Ewigkeit, in dessen Herz wird Er Sein unerschaffenes ewiges Licht geben, und es wird dann helle werden im ganzen Menschen; und ein solcher Mensch wird dann sein voll der wahren göttlichen Weisheit durch und durch. - So ihr irgendein Verständnis habt, da muß es euch nun klar sein, wie es nun um uns alle steht!«

03] Sagt der Schiffsknechtmeister: »Ja, ja, du allerliebstes Engelchen! Wir verstehen es nun wohl, und es wird wohl also sein, wie du es uns nun erklärt hast; aber die gestern abend von uns verlangten, nach Zebulon und Chorazin überbracht zu werden, die werden das nicht annehmen und daher noch weniger fassen. Wir sind ganz einfache Menschen, und bei uns braucht es kaum eines Wunders, daß wir es glauben; aber bei jenen wird ein Wunder noch schlechtere Früchte erzeugen denn kein Wunder.«

04] Sagt die Jarah: »Deshalb wird Er ihnen aber auch erschrecklich werden; denn die Winde werden Sein Wort über alle Erde hinaustragen! Wehe dem, der es hören, fassen und am Ende dennoch verwerfen wird!«

05] Sage Ich zu den Knechten: »Nun, wie gefällt euch der Verstand dieser Meiner Tochter?«

06] Sagen die Knechte: »Herr und Meister! Wenn Du im Ernste Der bist, der Du nach der weisesten Rede dieses allerliebsten Engels von einem Mädchen sein sollst, so ist es ja kein Wunder mehr, daß dies Mägdlein also weise ist; denn Der zu Bileams Zeiten vermochte dem Esel zu lösen die Zunge also, daß sie dem Bileam weissagen konnte, Dem muß es ja ein noch leichteres sein, eine sprachgewandte Zunge eines vierzehnjährigen Mädchens für die Weissagung geschickt zu machen!

07] Wir glauben es nun alle, daß Du das bist, als was Dich uns dies Mägdlein laut vor unsern Augen und Ohren bezeichnet hat, und es bedarf dazu keines neuen Wunders mehr! Aber, da Du, o Herr, das bist, so sieh an unsere große Schwachheit und wandle sie um in eine gerechte Stärke, daß wir dadurch uns schützen können vor den allzeitigen Feinden des Lichtes und der Wahrheit! Denn es ist wahrlich traurig, daß wir Juden nun bei den Heiden Licht und Wahrheit suchen müssen. Jerusalem ist, anstatt allen Menschen eine hellste Leuchte zu sein, ein Pfuhl der gröbsten Nacht und Finsternis und eine Mördergrube des alten reinen Geistes der Juden geworden; und so wir nun Licht und Wahrheit wollen, müssen wir in Sidon und Tyrus es suchen gehen bei den Griechen und Römern! Darum, Herr und Meister, da Dir alle Dinge möglich sind, so gib uns Licht und Kraft, daß wir die Wahrheit erschauen und sie dann beschützen können vor den Feinden!«

08] Sage Ich: »Der Friede sei mit euch und unter euch! Keiner dünke sich zu sein über den andern! Ihr alle seid gleich Brüder; aber der sich am geringsten zu sein dünkt und will aller andern Knecht und Diener sein, der ist unter allen dennoch der Meiste und der Höchste! So Ich euch aber zu Knechten begehre, da seid ihr in aller Wahrheit auch Meine Macht. Und so ist jeglicher Knecht seines Herrn Stärke, - aber der Herr ist darob des Knechtes Gerechtigkeit! Liebet euch untereinander, tut Gutes euren Feinden, segnet jene, die euch fluchen, und bittet für jene, die euch verwünschen! Vergeltet Böses mit Gutem, und leihet euer Geld nicht denen, die es euch hoch verzinsen können, so werdet ihr des Segens und der Gnade Gottes in Fülle in euch haben! Daraus wird euch dann das Licht, die Wahrheit und alle Macht und Kraft in aller Kürze zuteil werden; denn wie ihr ausmesset, also wird es euch wieder rückgemessen werden!«

09] Sagt ein unterer Knecht: »Herr, wir sehen und fühlen es, daß Deine Lehre wahr und echt ist; aber wir fühlen es auch, daß sie schwer zu halten sein wird! Es ist sicher sehr löblich und himmlisch schön, denen Gutes zu tun, die da bemüht sind, uns gleichfort einen Schaden zuzufügen; aber wer kann der oft nur zu schmählichen Bosheit der Menschen mit einer stets gleichen Geduld entgegentreten? Und es fragt sich sehr, ob man dadurch dem bösen Willen der Menschen nicht noch mehr Vorschub leistete, als so man sie für ihre böse Tat züchtigt. So man Diebe und Mörder für ihre Untaten noch belohnete, da würden bald wenig Menschen mehr der Erde Boden betreten! Darum muß man dem Feinde allzeit eine feste Stirne bieten und muß um sein Haus ein dorniges Bollwerk ziehen, auf daß dem Feinde für immer die Lust vergehe, einem zu schaden. So wird das des Feindes Sinn sicher eher zur Freundlichkeit stimmen, als so man ihm noch obendrauf für die einem erwiesene Untat eine Wohltat entgegen erweise!«

10] Sage Ich: »Ja, ja, das ist wohl recht gut menschlich gedacht, aber von Göttlichem ist dennoch keine Spur dabei. Durch die Strafe wirst du den Menschen, der dir Übles tat, wohl abschrecken, daß er es nicht so leicht wieder versuchen wird, dir einen Schaden zuzufügen, - aber freund wird er dir darum nimmer! Hast du ihm aber für etwas Arges, das er an dir begangen hat, zur rechten Zeit, da er in eine Not kam, eine Wohltat erwiesen, so wird er seine Sünde, die er an dir beging, einsehen, wird sie tief bereuen und wird von der Stunde an dein glühendster Freund werden!

11] Und so wird die für seine arge Tat ihm erwiesene Wohltat ihn bessern für immer; aber die dafür erlittene Strafe wird ihn für dich zu einem noch sechzigfach größeren Feind umgestalten!

12] Entstand die erste an dir begangene Sünde etwa nur mehr durch eine Art Mutwillen und Schadenfreude, so wird die zweite Sünde dir aus Zorn und Rache zugedacht werden; darum sage Ich es euch noch einmal: Tut das, was Ich euch ehedem gesagt habe, so werdet ihr der Gnade Gottes und Seines Segens in aller Fülle teilhaftig werden!

13] Denn wer von Mir tatsächlich gesegnet sein will, der muß Mein Wort, darin alle Gnade, alles Licht, alle Wahrheit und alle Macht wohnt, auch tatsächlich annehmen, ansonst es unmöglich wäre, ihm irgendeine Gnade zu erteilen.

14] Nehmet euch aber alle ein Beispiel an Mir; denn Ich bin von ganzem Herzen sanftmütig und demütig und habe mit jedermann die größte Geduld! Scheint die Sonne nicht im gleichen Maße über Gute und Böse, über Gerechte und Ungerechte, und fällt der fruchtbare Regen nicht auf das Feld des Sünders so gut wie auf das Feld des Gerechten? Seid demnach in allem vollkommen, wie da vollkommen ist der Vater im Himmel, und ihr werdet der Gnade und alles Segens aus den Himmeln in Überfülle haben! - Verstehet ihr wohl solches?«

15] Sagen nun alle: »Ja Herr, wir verstehen es nun alle recht wohl! Es ist schon also alles wahr, gut und somit in der vollsten Ordnung, und wir werden uns auch alle die möglich größte Mühe geben, das alles buchstäblich zu beachten; aber bei allem dem wird uns wenigstens der Anfang eine große Mühe kosten!«

16] Sage Ich: »Ja, Meine lieben Freunde, in dieser Zeit braucht das Himmelreich Gewalt! Die es nicht mit Gewalt an sich reißen, werden es nicht einnehmen! Ein jeder aber, der sich einen Kampf antut des Himmelreichs wegen, ist ein Weiser und ein kluger Baumeister. Ein weiser und kluger Baumann aber baut sein Haus nicht auf den losen Sand, sondern auf einen festen Felsengrund; und so dann kommen Stürme und Wasserfluten, da können sie dem Hause nichts anhaben, denn es steht auf einem Felsen.

17] Also ist es auch bei dem Kampfe in sich um das Himmelreich. Wer es einmal in sich erkämpft hat, der hat es unverwüstbar für ewig auf sich gezogen. Da mögen was immer für Weltstürme über ihn kommen, und sie werden ihm nichts anzuhaben imstande sein. Aber wer es da in sich nicht erkämpft hat mit allem Aufwande seiner Kraft und seines Mutes, der wird in den Stürmen der Welt mitgerissen werden und wird verlieren auch noch, was er schon hatte! - Dieses alles merket euch wohl; denn es werden Zeiten kommen, in denen ihr dieses alles gar sehr benötigen werdet!«

18] Sagen nun die Schiffsknechte: »Wir können Dir, o Herr, für alles das nichts als nur einen schlichten Dank darbringen und sehen es nun nur zu klar ein, daß der Mensch aus sich Gott dem Herrn nichts geben kann, was er nicht zuvor von Ihm empfangen hätte; aber nimm Du, o Herr, diesen unsern Dank dennoch also, als wäre er vor Dir etwas, und gebiete, was wir Dir zur Ehre und zur Liebe tun sollen!«

19] Sage Ich: »Ich habe es euch schon gesagt; tut das, - es bedarf da nichts Weiteres mehr! - Erzählet uns aber nun, was ihr in dieser Nacht alles gesehen und allenfalls auch gehört habt; denn Schiffsleute sehen in der Nacht oftmals recht seltene Dinge. Aber fasset euch in der Erzählung kurz und setzet nichts hinzu, noch lasset geflissentlich etwas weg, um das ihr wißt!«


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