Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 139. Kapitel: Besichtigung des Mars.

01] Wir betrachteten darauf noch eine Weile die Gegend, und unser Bootsmann, der besonders scharfe Augen hatte, ersah in einiger Ferne ein Schiff unserem Orte zusteuern und fragte mich, sagend: »O Herr und Meister, wen mag dieses Schiff am späten Abend wohl nach diesem Orte bringen?«

02] Sagte Ich: »Es bringt einen Meiner Jünger. Aber redet nicht viel mit ihm, so er zu uns kommen wird; denn er ist auch einer, dem ein Pfund gelber Erde, das man Gold nennt, lieber ist denn der ganze Himmel mit den Schätzen des Geistes und des ewigen Lebens!«

03] Die Jünger verstanden Mich, und auch unser Kisjona und Philopold; doch der Wirt und die zwölf Fischer verstanden das nicht völlig, was Ich damit hatte andeuten wollen. Aber es fragte Mich niemand um etwas Weiteres, da nun auch ein Diener kam und uns die Nachricht brachte, daß das Abendmahl bereitet sei

04] Wir erhoben uns denn auch sogleich von unseren Sitzen, die im Söller angebracht waren, und begaben uns ins Haus, allwo in einem sehr geräumigen Saale die Speisetische mit Brot, Wein und mit den bestbereiteten Fischen unser harrten. Wir setzten uns denn auch alsbald zu den Tischen und nahmen das Mahl zu uns.

05] Als wir uns gestärkt hatten mit Speise und Trank und uns über allerlei nützliche Dinge gegenseitig besprachen, daran auch Maria sehr lebhaft teilnahm, da kam denn auch unser Judas Ischariot zu uns in den Saal und fing an, sich vor Mir zu entschuldigen, daß er nicht eher hätte nachkommen können.

06] Sagte Ich: »Was kümmern Mich denn deine Weltgeschäfte! Weißt du denn noch immer nicht, warum Ich in diese Welt gekommen bin? Wer mit der Welt hält und sie liebt, der findet früher oder auch oft um etwas später, doch allzeit sicher den Lohn, den die Welt für ihre Freunde stets in Bereitschaft hat, und dieser Lohn heißt - Tod!

07] Mein Reich aber ist nicht von dieser Welt, und wer mit Mir es hält, dem wird nicht der Tod, sondern das ewige Leben in Meinem Reiche zum Lohne werden. Haben nicht die andern Meiner Jünger bis auf etliche wenige auch Weib und Kinder daheim, - und sie blieben dennoch bei Mir des Reiches Gottes wegen! Warum bist denn du zu deiner Familie gegangen, als wäre deine Sorge um sie mehr denn die Meine? Schreibe dir das in dein Weltherz!«

08] Diese Meine Worte mundeten dem weltsinnigen Jünger zwar nicht am besten, aber er ermahnte sich dennoch und dankte Mir für die Zurechtweisung; und Ich bedeutete dem Wirte, daß er ihm an einem andern Tische etwas zu essen und zu trinken geben solle. Und der Wirt tat das alsbald, und der Jünger setzte sich und nahm Brot und Wein zu sich; Fische aber bekam er keine mehr, weil keine mehr vorrätig waren und der Jünger sich in Kis mit den Fischen vollgegessen hatte.

09] Wir saßen darauf ganz wohlgemut an unserem Tische, und Ich Selbst unterwies die zwölf Fischer in Meiner Lehre vom Reiche Gottes im Menschen und machte ihnen das alles aus der Schrift klar und wohlbegreiflich.

10] Als Ich Mich so bei zwei Stunden lang mit den zwölf Fischern beschäftigt hatte und Meine Belehrungen für diesen Tag und Abend schloß, da kam nahe außer Atem ein Diener des Hauses zu uns in den Saal und sagte: »Liebe Herren, ich hatte im Söller zu tun und sah nach der Gegend des Aufganges hin. Da entdeckte ich einen übergroßen Stern, der sich ganz nahe dem Horizont befindet. Sein Licht ist rot wie Blut, dabei aber so stark, daß man es nicht viele Augenblicke lang betrachten kann. Ich habe noch nie einen solchen Stern gesehen. Was wird dieser Stern wohl zu zu bedeuten haben? Der Herr Heiland aus Nazareth, dessen Weisheit die des Salomo übertreffen soll, wird die Bedeutung des Sternes sicher am besten zu erkennen vermögen.«

11] Sagte Ich: »Mein lieber Freund, du bist noch nicht lange Diener in diesem Hause, da du den Herrn Heiland aus Nazareth noch nicht tiefer erkannt hast; aber weil du vorher längere Zeit Diener bei einem Pharisäer zu Kapernaum warst, so ist es auch begreiflich, daß du deinen Herrn Heiland aus Nazareth noch nicht tiefer kennest. Wo ist denn hernach dein Stern, der dich in eine so große Angst versetzt hat?«

12] Sagte der Diener, nun etwas verlegen: »Ja, da müßten sich die Herren schon ein wenig hinaus ins Freie bemühen; denn von diesem Saale aus kann man ihn nicht sehen, da seine Fenster sich dem Aufgange gerade entgegengesetzt befinden.«

13] Sagte Ich: »So gehen wir denn noch ein wenig ins Freie und wollen da sehen, welch ein Stern dich gar so sehr in Angst versetzt hat!«

14] Darauf gingen wir ins Freie und ersahen auch sogleich den roten und großen Stern im Osten, der aber nun, weil er schon höher über dem Horizont sich befand, seine rote Farbe um ein bedeutendes geändert hatte, obwohl sein Licht recht ausnehmend stark war.

15] Ich fragte nun alle Anwesenden, die den Stern auch mit etwas scheuen Augen betrachteten: »Nun, was haltet denn ihr von diesem Stern? kennt ihr ihn, oder kennt ihr ihn nicht? Dir, du Mein Jünger Andreas, sollte dieser Stern doch wahrlich nicht fremd sein, da du doch ein Sternkundiger bist.«

16] Sagte Andreas: »Wahrlich, Herr und Meister, das Sternbild, in dem er steht, kenne ich wohl - es ist der Löwe, wie dieses Sternbild schon von alters her also benannt wird -, aber den Stern kenne ich nicht. Die Farbe wohl wäre ähnlich mit der des Planeten Mars, wie er von den Heiden benannt wird; aber die Größe stimmt mit dem benannten Planeten nicht überein.«

17] Sagte Ich: »Und dennoch ist es eben jener Planet, den du soeben benannt hast. Daß er in diesem Jahre bei weitem größer erscheint als sonst gewöhnlich, rührt daher, weil er sich nun in der möglich größten Nähe der Erde befindet. Es ist euch aber die veränderbare Stellung der sämtlichen Planeten zur Sonne und auch unter sich viele Male bei tauglichen Gelegenheiten genau gezeigt und erklärt worden, und es ward euch gezeigt, wie sich die Planeten, je nachdem sie sich in einer oder der andern Stellung befinden, vermöge ihres Umschwungs um die Sonne gegenseitig um ein bedeutendes nähern und ebenso sich auch voneinander entfernen können, und noch begreift ihr derlei ganz natürliche Erscheinungen nicht und werdet dabei selbst ängstlichen Gemütes, das so in seiner Ängstlichkeit gar leicht für allerlei Aberglauben der Heiden aufnahmefähig wird.

18] Seht, dieser Planet befindet sich aus den euch bekanntgegebenen Gründen eben nun, wie schon bemerkt wurde, in der größten Erd- und auch Sonnennähe und sieht aus eben dem Grunde um ein bedeutendes größer aus als in seiner Erdferne, wie denn ein jeder Gegenstand sich in einer größeren Nähe auch sicher größer darstellt und zeigt denn in einer größeren Ferne. - Versteht ihr nun das?«

19] Sagte nun Andreas: »Herr und Meister, nun ist mir und sicher auch allen andern diese Sache schon wieder ganz klar, und wir werden uns künftighin bei ähnlichen Vorkommnissen nicht mehr ängstlichen Gemütes die Köpfe zerbrechen.

20] Aber weil uns schon gerade dieses Gestirn ins Freie herausgelockt hat, so möchte ich denn doch auch aus Deinem Munde nur ganz kurz angedeutet vernehmen, wie denn bei diesem Sterne die meisten uns bekannten Völker auf den Glauben gekommen sind, daß er, besonders so er sich, wie nun, wegen seiner Nähe dem Menschenauge größer zeigt, den Krieg unter den Völkern erwecke, darum er auch mit dem Namen des heidnischen Kriegsgottes belegt ist und viele Heiden ihn auch für den Kriegsgott selbst halten und ihn darum auch fürchten.«

21] Sagte Ich: »Weißt du denn noch nicht, wie alle die über alle Maßen verschmitzten Priester jedes Volkes, das sie in seiner Blindheit, die auch ein Werk solcher Priester ist, für Diener und Freunde der Götter ansieht, alle außergewöhnlichen Erscheinungen - besonders am Himmel - dazu zu benutzen verstehen, um die Menschen in eine große Furcht und Angst zu versetzen, teils durch ihre Reden und teils durch andere Trugkünste, um sie dadurch zu großen Opfern und anderen Bußwerken zu zwingen? Siehe, auch das ist ein Werk der Priester, aus denen mit der Zeit zumeist auch die Könige der Erde hervorgegangen sind!

22] Dies Gestirn hat vermöge seiner starken Atmosphäre als Erdkörper eine etwas rötlichere Färbung als sonst ein Planet mit einer minder starken Atmosphäre, und seine bald größere, bald mindere Lichtstärke bei stets rötlichem Lichte brachte die Priester nur zu bald auf die Idee, ihn vor dem Volke als den Kriegsstern zu bestimmen. Wenn er größer zu sehen war, so wurde dem Volke von kommenden Kriegen gepredigt, und dieses fing an zu opfern.

23] Gab es aber unter dem Volke auch hie und da einen Menschen, der dem Volke sagte, daß die Priester es bei dieser Gelegenheit nur ausbeuten wollen und der Stern für sich ein ganz harmloser Planet sei, und das Volk glaubte dem weisen Manne und brachte den Priestern wenig oder gar keine Opfer, so verstanden sich die Priester ganz gut darauf, unter den Völkern Feindschaften zu stiften und sie zum Kriege zu entflammen. Es wurden dann diese auch mit der größten Erbitterung und Grausamkeit geführt. Da lief das Volk dann in Massen zu den Priestern in ihre Tempel und opferte den Göttern, um sie zu besänftigen. Hatten die Priester bei solchen argen Gelegenheiten einen großen Gewinn gemacht, dann suchten sie die Regenten wieder zu besänftigen, und der Krieg hatte dann bald wieder sein Ende erreicht.

24] Wenn du das nun verstanden hast, so wirst du nun wohl auch einsehen, wie unser Planet zu der Ehre des Gottes der Kriege gelangt ist. - Lassen wir nun dieses Gestirn und begeben uns wieder ins Haus und darin zur Ruhe!«



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