Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 59


Jesus über das Wesen der Weltmenschen.

01] Als er zu Mir kam, sagte er (Petrus): ”Herr, ich habe in mir Deinen Ruf vernommen! Was ist Dein mir stets über alles heiliger Wille?“

02] Sagte Ich: ”Nichts anderes, als daß du dem alten, reichen Kauze ganz genug gesagt hast! Wenn ihn das nicht zu einem helleren Erkennen bringt, so wird ihn etwas anderes noch weniger dahin bringen. Aber es war nun des Redens auch schon genug. Es ist da in seinem Vaterlande wohl schwer, die Menschen in die reine Wahrheit zu führen! Denn man hat gleich die alte Frage: 'Woher kommt diesem das? Wir kennen ihn von seiner Kindheit an!' Und da ist es dann mit einer weiteren Belehrung schon zu Ende. Denn wen die Person des Lehrers beirrt, den beirrt auch mehr oder weniger seine Lehre. Und solche Menschen, die im Grunde doch nicht böse sind, mit Wundern und außerordentlichen Zeichen zu einem Glauben zwingen, hieße ihnen mit einem Schlage alle Freiheit ihrer Seelen und ihres Willens rauben; daher ist es besser, sie so lange gehenzulassen, bis sie am Ende selbst kommen und um eine weitere Aufklärung bitten.

03] So aber da in den etlichen Tagen unseres Hierverweilens dennoch welche kommen sollten, die da verlangeten eine weitere Auskunft über Mich, so sagt ihnen über Meine Zeichen, und besonders von den geheim zu haltenden, nicht vieles, sondern nur Andeutungen; aber vor allem gebet ihnen kund, was sie tun sollen, um zu erreichen das ewige Leben. Sind sie mit dem nicht zufrieden, da lasst sie gehen; denn es ist nicht fein, den Schweinen die edlen Perlen als Futter vorzuwerfen Matthäus.07,06 . Wer eine kleine Gabe nicht ehrt, ist wahrlich der großen nicht wert!

04] Es gibt hier Menschen, die so von Zeit zu Zeit über geistige Dinge und Verhältnisse recht gerne stundenlang plaudern, dabei mitunter auch recht erbaut werden und voll guter Dinge und Vorsätze sind; sowie sie aber dann wieder nach Hause in ihre altgewohnten Weltgeschäfte kommen, da ist alles wie abgeschnitten! Ist nur irgend etwas ihnen in die Quere gekommen, so werden sie bei allem früher empfangenen geistigen Troste voll der drückendsten weltlichen Sorgen und wollen sich gar nicht mehr erinnern an die gehabten rein geistigen Tröstungen. Wozu waren diese dann gut?!

05] Und so, siehst du, Mein Simon Juda, waren auch deine guten Unterredungen mit deinem alten Freunde! Siehe, er denkt schon jetzt nicht mehr daran, weil ein Handelsmann aus Kana zu ihm getreten ist und die beiden nun einen ganz vorteilhaften Kauf von verschiedenen Handelsartikeln abzumachen haben! Er weiß recht wohl, daß Ich Selbst hier bin, und hätte auch zu Mir hereinkommen können, um sich mit Mir Selbst zu besprechen über Meine von ihm für so außerordentlich erklärten Fähigkeiten. Ich hätte ihn wahrlich nicht zur Türe hinausgewiesen! Aber nein, da steht der Kaufmann aus Kana viel höher, und du darfst nun gar keine Angst haben, daß er noch etwas Weiteres über Mich mit dir besprechen werde!

06] Daher sind solche Menschen noch gar lange nicht tauglich und geschickt fürs Reich Gottes. Sie gleichen jenen Ackerbauleuten, die beim Pflügen ihre Augen nicht nach vorwärts, sondern nach rückwärts richten und daher nach vornehin nicht sehen können, wie der Ochse zieht den Pflug, und ob dieser wohl die rechten Furchen schneidet und aufwirft. Solche Leute sind darum noch lange nicht tauglich zum Reiche Gottes Lukas.09,62 . Es ist auch besser, solche Leute stehen zu lassen, wo sie auch stehen mögen, weil sie mit allen Zeichen und mit lichtvollsten Worten von ihren Weltsorgen nicht abwendig zu machen sind.

07] Ich sage euch auch das: So ihr dereinst als vollendete Jünger Meine Lehre den Menschen in Meinem Namen werdet zu predigen anfangen, da habt darauf acht: Wird man euch irgendwo in einem Orte oder in einem Hause wohl aufnehmen, so bleibt daselbst und unterrichtet die Menschen wohl und gut, und taufet sie dann in Meinem Namen mit Wasser, wie es Johannes getan hat, und Ich werde sie dann taufen mit Meinem Geiste von oben her!

08] Wo man euch aber nicht aufnehmen wird oder nur also, wie dein alter Freund nun deine Worte aufgenommen hat, da schüttelt sogar den Staub von euren Füßen, der an einem solchen Orte oder in einem solchen Hause an ihnen klebend ward, auf daß von ihnen ja nichts Weltliches an euch haften bleibt (mt.10,13-14 lk.10,10 -11)! Denn ihr wisst, daß Mein Reich nicht von dieser Welt ist, sondern geschaffen werden muß durch die Erkenntnis und durch die Beachtung Meines Wortes im Innern des Menschen. Aber es ist die Erschaffung dieser inneren, geistigen Lebens- und Himmelswelt so lange hin stets eine schwierige Sache, solange an einem Menschen noch irgend etwas Weltsinnliches haftet.

09] Ich meine unter dem erwähnten Staube an euren Füßen (mt.10,14; lk.10,11) aber nicht etwa den natürlichen Zimmerstaub oder den Staub auf den Straßen, sondern der Staub, den Ich meine, das sind jene weltklugen Reden solcher Menschen, die deinem alten Freunde ganz ähnlich sind. Sie klingen recht artig, freundlich und dem Weltverstande ganz angemessen; aber sie sind dennoch nichts als ein leerer Staub, weil sie nur Welttümliches befürworten und selbst darin von einem Wahrheitsernste keine Spur vorhanden ist. Wie aber der leere, nichtige Staub der Straßen keinem Wanderer zu etwas nütze werden kann, so auch derlei weltstaubige Reden solcher reichen und weltklugen Bürger.

10] Obschon aber solch ein Staub niemandem zum Nutzen werden kann, so kann er einem Wanderer aber dennoch mehr oder weniger schädlich sich gestalten. So ein Wind kommt und den Staub in die Luft hebt, da heißt es die Augen schließen und den Mund zuhalten, ansonst kann man erblinden und ersticken. Auch muß man so lange stehenbleiben oder sich gar, mit dem Gesichte zur Erde gekehrt, auf den Boden legen, bis der Wind den lästigen Staub weithin getragen hat. Und das hat den Wanderer sicher auch Zeit gekostet, infolgedessen er notwendig später an den Ort seiner Bestimmung gelangt, als er ohne die Staubbescherung gelangt wäre.

11] Was aber der Straßen- und Gassenstaub dem irdischen Wanderer ist, das ist der eitle, weltkluge Wortstaub dem Lebenspilger auf Meinen euch gezeigten Lebenswegen. Er trübt leicht die innere Sehe und kann sogar sehr erstickend auf das wahre, innere, geistige Seelenleben einwirken. Und mindestens verzögert er bei aller angewandten Vorsicht doch den geistigen Fortschritt! Darum sagte Ich, daß ihr auch sogar den Staub, der an euren Füßen kleben geblieben ist, abschütteln sollet, auf daß gar nichts Welttümliches an euch sei; denn wahrlich sage Ich euch: Solange an einer Seele noch ein welttümliches Atom klebt, kann sie nicht völlig in Mein Reich eingehen; denn alles Welttümliche ist das für die Seele, was das Gift für den Leib ist. Ein kleinster, kaum sichtbarer Tropfen von einem starken Gifte kann dem Leibe den Tod geben, und ebenso kann auch ein Atom Welttümlichkeit eines Menschen Seele ganz verderben oder wenigstens derart zu Schaden bringen, daß sie dann lange zu tun haben wird, um völlig geheilt zum ewigen Leben zu erstehen. Die Erfahrung wird euch darüber die vollste Bestätigung geben.“

12] Sagte Petrus: ”Herr, da wird es für uns eben nichts Leichtes sein, Dein Wort den andern Menschen zu verkünden! Denn wie werden wir's erfahren, ob ein Mensch geeignet ist, Dein Evangelium aufzunehmen? Der Alte draußen wäre für mich einmal schon ein ganz geeigneter Mensch gewesen, da er sonst von einer ganz guten Gemütsart ist und sich gerne in seinen Mußestunden über höhere und geistige Dinge bespricht und, soviel mir bekannt ist, auch gerne armen Menschen Gutes erweist. Nun, wenn derlei Menschen auch noch zu den Bedenklichen gehören, mit denen man nicht viel zu tun haben soll, da wüßte ich dann wahrlich nicht, wen man für die Mitteilung Deines Evangeliums für tauglich erachten soll.“

13] Sagte Ich: ”Seid ihr denn auch noch blind und merkt nichts von dem, was Ich euch sage? Hast du im vorigen Jahre nicht den reichen Jünglingsmann gesehen? Er fragte Mich, was er tun solle, um das ewige Leben zu erreichen. Und Ich sagte zu ihm, daß er die Gebote halten und Gott über alles und den Nächsten wie sich selbst lieben solle. Da sagte und beteuerte der junge Mann, daß er das schon seit seinen Kinderjahren getan habe. Ich aber sagte darauf: 'Nun gut, - willst du mehr, so verkaufe alle deine Güter, teile den Erlös unter die Armen, und komme dann und folge Mir nach, so wirst du dir dadurch einen großen Schatz im Himmelreiche bereiten!' Als bald ward der junge Mann traurig, kehrte uns den Rücken und zog seines Weges weiter. Ich aber machte euch dann die Bemerkung, dernach ein Kamel leichter durch ein Nadelöhr (schmaler Nebeneingang am Haupttor von Jerusalem zur Zeit Jesu) gehe denn ein Reicher in den Himmel (mt.19,16 -24). Damals stauntet ihr darüber und meintet, da dürften äußerst wenige ins Himmelreich gelangen. Und Ich sagte zu euch, daß bei dem Menschen wohl gar vieles als unmöglich erscheine, was aber bei Gott noch immer gar wohl möglich ist. (vgl. mt.19,19-26)

14] Damals sahet ihr diese Sache nicht völlig ein; aber nun dürfte sie euch wohl schon um vieles begreiflicher sein. Was hätten wir zum Beispiel gewonnen, so wir damals jenem jungen Manne so recht zuzureden angefangen hätten, daß er dennoch das tun solle, was Ich ihm angeraten habe? Gar nichts! Er hätte uns mehrere Tage hindurch seine weltklugen Gründe vorgetragen, derentwegen er selbst beim besten Willen Meinem Rate vorderhand nicht nachkommen könne, und wir wären nach mehreren Tagen mit ihm auf demselben Flecke gestanden wie im ersten Augenblicke unseres Zusammentreffens. Wir aber zogen lieber recht schnell weiter und fanden bald eine Gelegenheit, wo wir recht viel Gutes haben wirken können. Seht, da haben wir auch den Staub, den uns der junge Mann offenbar bereitet hatte, schnell abgeschüttelt und zogen ungehindert unseres Weges weiter!

15] Die da draußen im Vorzimmer sind lauter solche Menschen, die an und für sich ganz rechtliche und sehr weltkluge Menschen sind, welche Eigenschaft sie auch sehr weltreich machte; aber für Mein Evangelium sind sie noch lange nicht reif und werden es in dieser Welt auch schwerlich je ganz werden. Daher sollt ihr in der Folge solchen Menschen auch Mein Wort nicht predigen; denn es wird bei ihnen nicht wurzeln und noch weniger je zu einer guten Frucht reifen.

16] Du, Petrus, hast dem reichen Bürger wahrlich ganz tüchtige Wahrheiten gesagt, so, als hättest du sie aus Meinem Munde geredet! Welche Wirkung aber haben sie bei ihm gemacht? Sieh, gar keine! Er redet nun so frei und unbeirrt mit seinem Geschäftsfreunde, als ob du nie ein Wort von Mir zu ihm gesprochen hättest! Er weiß, daß Ich hier bin; es sollte ihn wenigstens die Neugierde zu Mir führen, auf daß er sich mit Mir Selbst über das besprechen möchte, was du von Mir ihm kundgetan hast! Allein, das alles ist dem reichen Manne so gleichgültig wie eine auf dem Wege von seinem Fuße zertretene Mücke. Er steht auf uns und unsere für ihn zu geringfügige Hilfe gar nicht an, indem er ja ein sehr reicher und weltkluger Mann ist, - und noch gar viele sind seinesgleichen.

17] Seht, das sind so die rechten Weltwühlschweine, denen ihr Meine Perlen nicht vorwerfen sollt (vgl. mt.07,06); denn diese kümmern sich um nichts anderes als nur um das, ob und was bei einer Sache materiell zu gewinnen ist. Darum hatte der reiche Mann dir denn auch vorgehalten, daß du dein gewinntragendes Gewerbe verlassen habest und Mir gewisserart um nichts und wieder nichts gefolgt seiest.

18] Diese Menschen sind sonst recht artig und beachten gegen jedermann eine feine Sitte; aber das alles ist gleich der feinen und zierlichen Tünche eines Grabes, das dadurch äußerlich recht erbaulich anzusehen ist, - aber inwendig ist es dennoch voll Totenmoders und pestilenzialischen Ekelgeruches. Solange so ein Mensch ganz ruhig seinen Gewinn einstecken kann und ihn kein Geschäftsunglück ereilt, wird er stets in der besten und mitunter sogar freigebigen Laune sich befinden; lassen wir ihn aber bei irgendeiner Spekulation nur einmal so recht tüchtig eingehen, da schaue dir dann deinen freundlichen Mann an, und fange an, mit ihm über innere, geistige Wahrheiten zu reden, und Ich stehe dir dafür, daß du noch eher hinausgeschafft wirst, als du den Mund so recht aufgemacht hast! Und sieh, darin liegt auch hauptsächlich der Grund, warum Ich dich von deinem sonst sehr löblichen Eifer abberufen habe; denn bei derlei Menschen ist jedes innere, geistige Wort ein beinahe völlig vergebliches!

19] Du hast ihm doch enthüllt, daß diese große Meeresbewegung allein durch Meinen allmächtigen Willen bewirkt wird, daß Ich überhaupt nur wollen darf, und alle Elemente gehorchen Mir. Das ist sicher doch nichts Geringes! Siehe aber nur hinaus, und du wirst dich gleich selbst überzeugen, welch einen nichtigen Eindruck solche deine Kundgebung auf ihn gemacht hat! Er ist nicht einmal nachsehen gegangen, ob das Meer noch in seiner großen Bewegung steht, und ob irgendein Teil desselben ganz ruhig ist!

20] Du hast ihm auch zu schmecken gegeben, daß die Ungläubigen Mein Gericht treffen werde. Das kostete ihn höchstens ein kleines Lächeln, und er dachte sich: 'O du armer Hungerleider, siehe nur du zu, daß dich nicht nächstens das Gericht des leeren Magens und der nackten Haut ereilt!' - Sage Mir nun, ob solchen Menschen Mein Wort zu predigen ist!“

21] Sagte ganz ärgerlich Petrus: ”Ah, wenn also, da wäre ich ja um vieles lieber eines Griechen Schweinehirt denn solchen Menschen ein Prediger! Jetzt begreife ich erst so ganz recht Deinen vorjährigen Eifer im Tempel! Denen muß man ein anderes Wort mit Stricken und Knütteln predigen, wie Du es im Tempel getan hast! Diese Brut ist am Ende noch schlechter denn der eifersüchtigste Pharisäer im Tempel; denn jener hat doch wenigstens einen geistigen Schein - der zwar auch zu nichts gut ist -, aber diese Brut hat gar nichts als die purste und allermateriellste Welt! Oh, das ist gut, daß Du, o Herr, uns alle darauf sehr aufmerksam gemacht hast! Wahrlich, mit diesem Gassenstaube sollen unsere Füße nimmerdar beklebet werden! Aber was machen wir nun?“

22] Sagte Ich: ”Wir wollen nun ein wenig ins Freie gehen, auf daß ihr euch alle von der Gleichgültigkeit dieser Menschen überzeugen mögt; dann wollen wir wieder hierher zurückkehren. Ich werde aber dann einen recht tüchtigen Regen kommen lassen, und wir werden diese lästigen Gäste bald los sein. Und so gehen wir denn hinaus ins Freie, wie Ich gesagt habe! Gebet aber besonders acht auf alle, die uns begegnen werden! Hier werden wir dann noch weiter darüber reden und dann unsere Verfügungen machen.“



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