Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 3, Kapitel 184


Die Herzenssprache.

01] Alle erstaunen über die tiefe Einsicht und Weisheit Philopolds. Kisjonah betrachtet ihn vom Fuße bis zum Hauptscheitel und begreift nicht, wie dieser sonst wohlbekannt vielerfahrene Mensch nun auf einmal mit seiner durchdringenden Weisheit alle ins höchste Erstaunen setzt, und selbst Mathael sagt: ”Ich verstehe auch etwas, - aber in diese Tiefen ist mein Geist noch nie gedrungen! Dessen Geist oder Seele muß schon irgendwo in einer andern und bessern Welt in die Schule gegangen sein!“

02] Auch die Jarah betrachtet den weisen Mann und kann sich vor lauter Staunen über seine Weisheit gar nicht völlig zurechtfinden.“

03] Ich aber sage zu ihm: ”Siehst du, Mein lieber Freund und Bruder, wie es dir recht gut gegangen ist und du mit deiner Beantwortung Meiner an dein Herz gestellten Frage den Nagel auch auf den Kopf getroffen hast!

04] Ich sage es dir, dass du nun die vollste Wahrheit in Meinem Namen allen Meinen Jüngern, Freunden und Brüdern getreust, wahrst und sehr leicht begreiflich geoffenbart hast und Ich dazu nun nichts anderes zu sagen brauche als: Also ist es, und also stehen von Ewigkeit her alle Sachen, Dinge und Wesen!

05] Siehe, darin ist mehr Weisheit als im ganzen Hohenliede Salomos, der es sowenig als irgend jemand anders im Grunde des Grundes verstanden hat; denn hätte er es verstanden, so wäre er nachderhand nicht in alle Sünden der Sünden verfallen und zugrunde gegangen!

06] Darum sucht ihr alle nur im Herzen die Weisheit und die rechte Offenbarung aus Mir, so werdet ihr sie leicht begreifen und für euer ganzes Leben und für ewig behalten!“

07] Sagt darauf Petrus: ”Aber Herr, wir sind nun bei neun Monden lang stets bei Dir und um Dich; warum verstehen denn wir nicht also zu reden aus uns, wie dieser Freund aus Kane bei Kis?“

08] Sage Ich: ”Die Römer haben da ein Sprüchlein und sagen: Ex trunco non statim fit Mercurius (Aus einem rohen Klotz wird nicht gleich ein Merkur!) Und so ist es auch mehr oder weniger bei euch, und Ich Selbst möchte euch schon dann und wann fragen und sagen: Wie lange werde Ich euch noch ertragen müssen, bis ihr in eurem wahren Lebensgrunde etwas fassen und begreifen werdet?

09] Habe Ich doch schon oft zu euch gesagt, dass ihr nicht im Kopfe, sondern nur im Herzen sollt Gedanken zu fassen anfangen, um zur Wahrheitsfülle zu gelangen, die euch wahrhaft lebensfrei machen würde! Warum tut ihr denn das nicht und bleibt lieber bei der Materie, die nichts hat und nichts geben kann?! Tut, was Ich euch lehre, dann werdet auch ihr, wie nun Philopold, reden in wahrer Weisheit!“

10] Sagt Petrus: ”Herr! Das versuchten wir schon oft; aber es will mit dem Denken im Herzen nicht vorwärts. Dann und wann nur fühle ich - nicht so sehr wahrhafte Gedanken als vielmehr ganz eigentliche Worte im Herzen, und diese kann ich doch nicht Gedanken nennen, da es mir vorkommt, dass dieselben erst nachher sich im Herzen aussprechen, wenn sie zuvor im Gehirne gedacht werden!“

11] Sage Ich: ”Das ist ein Anfang; übet euch darin, so werdet ihr bald dahin gelangen, im Herzen der tiefsten und freiesten Gedanken fähig zu sein!“

12] Sagt Petrus: ”Dank Dir, ewig guter Meister; wenn also, dann werden wir schon ehest weiterkommen!“

13] Sage Ich: ”Ja, ja, vollkommen aber nicht vor Meiner Heimkehr; aber danach ja!“

14] Dies verstanden alle am Tische nicht und fragten, was Ich damit hätte sagen wollen.

15] Ich aber sagte: ”Meint ihr denn, dass des Menschen Sohn also wie nun bis ans Ende dieser Erde im Fleische und Blute unter euch Menschen umherwandeln und lehren und Wunder wirken werde?!

16] Ja, Ich werde wohl bis uns Ende der Erde unter den Menschen, die eines guten Willens sind, tröstend, stärkend, belebend, lehrend und auch wunderwirkend verbleiben, und werde zu allen, die Mich wahrhaft lieben und Meine Gebote halten, kommen und Mich ihnen offenbaren, - aber nicht in diesem sterblichen Leibe, sondern in dem verklärten und ewig unsterblichen! Wer Sinne hat, der fasse dieses wohl!“

17] Sagen die Jünger: ”Herr, Sinne hätten wir wohl, - aber dieses vermögen wir dennoch nicht zu verstehen!“

18] Sage Ich: ”Ich habe euch darum ja auch noch lange nicht verantwortlich gemacht! Ein jeder Lehrling aber braucht eine gewisse Zeit, bis er in dem, was er lernt, fest und fertig geworden ist; ist er das, so wird er freigesprochen und ist von da an erst für irgend fernere Fehler selbst verantwortlich! Darum, so ihr nun noch manches nicht fasst, seid ihr ohne Fehl; aber nachher wird es anders sein! - Nun aber heißt es sich fassen! Denn sogleich wird sich etwas ereignen, das uns viel zu schaffen machen wird!“



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